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  • AutorenbildVera Sindaco

Flittern Vs. Routine

Der Alltag hat uns eingeholt.

Okay, langweiliger kann man einen Blogeintrag nicht beginnen. Also nochmal von vorne.

Die beste Nachricht zuerst - wir ziehen in ein paar Tagen an den Strand! Die schlechte - der Sommer verabschiedet sich irgendwie schon so langsam. Außerdem werden wir unser erstes Zuhause in Australien und die ganze Gegend drumherum ganz schön vermissen.

Denn wie ich anfangs schon erwähnt habe, hat sich mittlerweile ein schöner, ausgeglichener Alltag eingeschlichen. Der besteht natürlich größtenteils aus Arbeit, immer abwechselnd mit entspannten Stunden daheim mit all unseren Mitbewohnern oder neuen Entdeckungen in dieser einzigartigen Stadt.

Seitdem ich Mauro kurz nach meinem letzten Blogeintrag zu seinem ersten Tag im neuen Job begleitet und erfolglos versucht hab, ihm seine Nervosität auszureden, hat sich schon einiges getan. Das MOVIDA ist eine ziemlich professionelle Geschichte, samt aller Mitarbeiter. So sehr es Mauro beruflich weiterbringt, in dieser Art Umfeld zu arbeiten, fernab von ausgiebigem Feiern gehen und Philosophieren mit Kollegen bis hin zur Bildung engster Freundschaften, so sehr macht ihm dieser hohe Grad an Distanz und Professionalität auch zu schaffen. Doch er wäre nicht er, wenn er damit nicht auf seine eigene Art klarkommen würde: Lösung Nummer eins war, nach der Arbeit meist in meine kleine Bar zu kommen und mit meinen unglaublich netten und offenen Kollegen zu quatschen, ein Bierchen zu trinken und abzuschalten. Lösung Nummer zwei, viel naheliegender: er hat sich einfach noch 'nen zusätzlichen Job gesucht. Immer Freitags arbeitet er jetzt in der "Bar Tini", gleich neben dem Movida. Die wurde vor kurzem für ihr herausragendes Barfood ausgezeichnet und dort sind die Schichten zwar lokalitätsbedingt noch länger, die Kollegen aber immerhin deutlich entspannter.

Das heißt aber auch, dass er definitiv Freitags keine Zeit mehr hat für die unzählbaren Events, die hier am Wochenende so stattfinden. So ging ich neulich meinem leichten Kulturentzug nach und war mit meinem englischen Kollegen Lewis bei einem gratis Konzert des Melbourne Philharmonic Orchestras in der ziemlich beeindruckenden Sidney Myer Music Bowl, einer Art Open-Air Arena mit riesigem Grashügel für sehr viel Publikum, und extrem viel Picknick.

Mit Käseplatte To Go, Rosé und Negroni in der Plastikflasche ausgestattet, waren wir früh genug da, um uns einen top Platz in den hinteren Reihen des Hügels zu sichern, und holten uns überraschenderweise immer noch keinen Sonnenbrand! Liegt aber auch daran, dass ich jetzt tatsächlich stets eine Minitube LSF 50+ in der Handtasche rumtrage. Thema des Abends: Gershwin & Friends - und ich fühlte mich bei "Rhapsody in Blue" auf direktem Weg in meine Kindheit katapultiert, konnte Papa förmlich in der Küche für's Sonntagsdinner hantieren hören, während Mama irgendwas für die nächste Chorprobe vorbereitet, und ich auf dem Sofa "Harry Potter" lese. Mein Bruderherz kam in dem Flashback-Moment nicht vor, wahrscheinlich hat er wieder Tennis gegen die Hauswand gespielt...Verrückt, was Musik mit einem anstellen kann.

Apropos Tennis - wenn wir dann gemeinsam frei haben, fehlt es uns auch nicht an Ideen.

Mitte Januar war Melbourne immerhin Schauplatz für eins der vier Grand Slam Turniere - der Australian Open! Beide relativ tennisinteressiert und früher mehr oder minder selbst den Schläger geschwungen, sicherten wir uns für je ca. 30 Euro sogenannte "Ground Pass"-Tickets für das Viertelfinale am Dienstag.

Ground Pass bedeutet, dass man Zugang zu allen Bereichen des enormen Geländes hat, also zu allen kleineren und auch größeren Courts sowie den Trainingscourts, sogar in die zweitgrößte "Margaret Court"-Arena, nur in die große Rod Laver-Arena darf man damit leider nicht. Tickets dafür haben unser Budget dann doch gesprengt...

War aber umso lustiger, denn viele der eingewanderten und hier ansässigen Griechen hatten sich an dem sonnigen Vormittag allesamt vor der Arena versammelt, um ihr Idol Stefanos Tsitsipas live auf der riesigen Leinwand zu verfolgen und anzufeuern. Komplett mit Jubelgesängen, Flaggen und viel Leidenschaft. Obwohl in Begleitung meines eigenen charmanten und konkurrenzlosen Südländers, hab ich mich während dieses Matches ein klein bisschen verknallt in den erst zwanzig Jahre jungen Nachwuchsprofi aus Athen. Gucken wird man ja wohl noch dürfen... Wobei, ein paar Tage später ging er nach seiner Niederlage gegen Nadal laut Instagram-Story in eine Bar im Zentrum Melbournes (nach so einem Spiel braucht selbst ein Profisportler 'nen Drink) - da war die Versuchung doch groß, kurz mal teeniemäßig und völlig irrational dort vorbeizuschauen. Ich meine, schaut euch das Schnuckelchen doch an... Gegen Nachmittag verfolgten wir dann tatsächlich noch ein gemischtes Doppel live in der Margaret Court - Arena, unter anderem mit der Deutschen Spielerin Anna-Lena Grönefeld. Hat mir vorher nix gesagt, das Match war aber ziemlich spannend! Vor allem, da in der gegnerischen Paarung die bekannte Australierin Samantha Stosur spielte, was die Stimmung natürlich ziemlich anheizte.

Weniger spannend dann das von allen erwartete Highlight-Spiel am Abend, Nadal gegen...puh, siehste, sogar den Namen hab ich direkt vergessen. Der arme Amerikaner (ah, Frances Tiafoe) hatte leider absolut keine Chance gegen den spanischen Vollneurotiker und so entschieden wir uns schon nach den ersten zwei Sätzen leicht fröstelnd den Heimweg anzutreten.

Persönliches Highlight für mich war dann allerdings das Finale, welches ich nach meiner Schicht mit gefühlt dreitausend anderen Melbournians auf dem "Federation Square" schaute, auf dem Boden sitzend, während ich parallel mit meinem Bruderherz in Erlangen telefonierte. Der wiederum verfolgte das Spiel gemeinsam mit ein paar unserer guten Freunde in deren WG bei Frühstück und Sonntagsstimmung, während sich bei mir ein unglaublicher Sonnenuntergang über die mitfiebernden Menschenmassen senkte. Ein paar Mal hätte er trotz aller Liebe allerdings fast aufgelegt: die deutsche Übertragung hinkte nämlich "leider" entscheidende 8,45 Sekunden hinterher, was ich als gute Schwester natürlich dazu nutzte, ihn ein wenig zu triezen.

Getriezt hab ich auch Mauro damit, mich endlich mal zum Yoga zu begleiten, da er das schon Monaten fest vorhat - es war nur leider eine sehr meditative und extrem anfängerfreundliche Stunde, deshalb war sein Fazit: "langweilig"! So langweilig, dass er mittendrin einfach wie ein gestrandeter Samurai auf seiner Matte saß und gar nichts mehr bewegt hat. Natürlich ist sein Bild von Yoga jetzt ein komplett Falsches, was ich mir seitdem ständig anhören muss. Und weshalb ich auch jedes Mal danach betone, WIE anstrengend es doch heute mal wieder war.

Was noch außer so viel Sport, fragt ihr? Wir waren auf dem berühmten Queen Victoria Night Market und haben gemerkt, dass Trink-Kokosnuss "nicht unsers" ist, und nervtötend langsam laufende Menschenmassen sowieso nicht. Wir haben endlich geschafft, die Free Walking Tour mitzumachen, hatten mal wieder einige Tage mit 38 bis 42 Grad (inklusive 31 Grad noch mitten in der Nacht...), heftigste Gewitter und Regenfälle, die nach gefühlt 10 Minuten vorbei waren, neue Brunch-Spots, zwei leicht ausufernde Hausparties, und ein paar mittelschwere Heimweh-Momente.

Brunch im "Green Refectory" in Brunswick.

Flinders Street Station. Melbourne-Eindrücke.

Bekämpfen lassen die sich aber einigermaßen gut mit dem immer noch herrlichen Wetter - mittlerweile ist es nicht mehr ganz so heiß - und unseren weiteren Planungen für die nächsten Monate. Die ändern sich irgendwie jede Woche, aber der aktuelle Stand ist: wir ziehen ab Ende Februar (24.2.) für knapp drei Wochen in eine Wohnung im Süden Melbournes, einen Katzensprung vom Albert Park Beach entfernt.

Danach bleiben wir entweder noch ein bisschen länger in Melbourne, oder ziehen schon langsam und gemütlich weiter Richtung Sydney, oder machen noch einen Abstecher Richtung Lorne an der Great Ocean Road. Das hängt ein bisschen davon ab, wie es bei Mauro auf Arbeit weitergeht, wie hier das Wetter, i.e. die allgemeine Stimmung ist und wie viel wir noch ansparen wollen, bevor wir losziehen.


Das mit dem Geld verdienen klappt nämlich mittlerweile recht gut. Da Mauro in der für Australien sehr seltenen Position ist, richtig viel Trinkgeld pro Schicht zu bekommen und ich mich zusätzlich zu meiner kleinen Ponyfish-Familie noch in andere Gebiete wage, kommt einiges zusammen. Mein lukratives Deutsch-Tutoring kann ich aber leider seit Kurzem nicht mehr dazuzählen, da mir mein Student weggezogen ist, um an der Ostküste in einem 1600-Seelen-Kaff eine Bar aufzumachen. Er ist 23 und sehr naiv. Und sehr arrogant. Und eigentlich bin ich ziemlich froh, dass er mir nicht mehr 1,5 Stunden die Woche seine vielen angeblichen Talente unter die Nase reibt und mir nebenbei erzählt, alle Frauen, die ihn abweisen, seien ja im Endeffekt nur selber Schuld und wüssten nicht, was sie tolles verpassen. Oh, außerdem hat er den perfekten Businessplan erstellt, um seine Bar zu finanzieren. Den möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten, weshalb ich ihn sogar direkt abfotografiert habe.

Also, aufgepasst, ihr zukünftigen Barbetreiber, es ist tatsächlich so einfach:

Weitere interessante Persönlichkeiten lerne ich außerdem bei meinen kleinen Ausflügen auf's Wasser kennen. Neulich habe ich mal wieder auf dem chinesischen Holzschiff ausgeholfen, wieder für zwei Junggesellenabschiede mit der für solche Anlässe anscheinend obligatorischen Damen-Begleitung, i.e. die Buchung einer oder mehrerer Oben-Ohne-"Kellnerinnen". Mein Job beinhaltet massenhaft Bier hin und her schleppen, kalt stellen, Essen hochbringen und anrichten, aufräumen, Deck putzen und vorbereiten, beim An- und Ablegen helfen und so weiter. Deren Job beinhaltet: Bier aufmachen, den Jungs geben und nackt sein. Ratet mal, wer den höheren Stundenlohn bekommt....

Nach wie vor voll bekleidet, hab ich mich während der beiden dreistündigen Touren durch die farbenfrohen Melbourne Docklands lieber auf dem Fahrersitz neben Kapitän Paul aufgehalten und die riesigen Containerschiffe bewundert.

An diesen konnten wir erstaunlich nah vorbeischippern, da Paul sich in den hiesigen Gewässern extrem gut auskennt: normalerweise verbringt er regelmäßig fünf Wochen auf See damit, eben diese Kolosse von A nach B zu navigieren. So war er mit seinen 55 Jahren schon praktisch überall, eine seiner Lieblingsstädte ist Hongkong und er sagt, er würde am liebsten nie aufhören mit diesem Job. Zwischen den Touren verbringt er fünf Wochen bezahlt zuhause, hört exzessiv Taylor Swift, kuschelt seinen Chihuahua und kutschiert beschwipste "Bucks", "Hens" oder Businessleute durch die Ausläufer des Yarra Rivers.

Zu meinem Leidwesen sind bei dem ganzen Job immer noch keine Segel involviert, aber ich habe irgendwie das Gefühl, ich sollte mich da langsam rantasten: wenn man nicht mal weiß, was backbord und steuerbord auf Englisch heißt, wird's bei weiteren klassischen Begriffen wie "Vorspring", "Winsch" oder "anluven" erst recht peinlich. Ich hab mich also ein wenig eingelesen und arbeite darauf hin, während unserer weiteren Route allerspätestens hier mit an Bord zu kommen und dabei auch noch was zu verdienen - und ich werde die solange nerven, bis sie mich nehmen. Hat bei STA damals auch schon geklappt.

Für die - Achtung, Kitsch - immer noch interessanteste aller Personen habe ich neulich einen wunderbar romantischen Ausflug geplant, da unser einziger gemeinsamer freier Tag zufällig auf den 14. Februar fiel. Normalerweise feiern wir Valentinstag absolut nicht, aber dieses Mal hat es doch ganz gut gepasst. Nachdem Mauro mir die Planung des Tages überlassen hatte mit den Worten "Mir egal, ich will nur nicht ewig irgendwo rumlaufen!", kam mir die Idee für eine kleine Radtour zum nahen Abbotsford-Kloster wie gelegen.

Angefangen mit einem selbst gemachten Pancake -Frühstück im Bett, wobei uns mal wieder auffiel, wie unbequem das doch ist, sollte Mauro sich anschließend fertig-, aber nicht zu hübsch machen und auf's Rad schwingen. Die Darstellung des restlichen Verlaufs des Tages überlasse ich einfach ein paar schönen Fotos, da ich jetzt wirklich schon genug Kauderwelsch von mir gegeben habe. Kommt davon, wenn man zwischen zwei Beiträgen so viel Zeit verstreichen lässt...

Banana-Pancakes. Zimmer-Deko. Radtour-Mauro.

"Pay as you feel"-Restaurant neben dem Kloster: Lentil as anything

Schwarzweiß-Impressionen unterwegs und in unserer Straße.

Abendessen im ziemlich verrückten "The Grub" in Fitzroy.

Ich hoffe, ich werde mich aus unserem kleinen Strandhaus ein bisschen eher zurückmelden. Bis dahin sonnigste Küsse und Umarmungen ins frühlingshafte Erlangen, wir vermissen Zuhause immer mal wieder, genießen aber trotzdem jede Minute unserer ausgedehnten Flitterwochen!

Vera & Mauro



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